Von Sibylle Blömer-Hausmanns
Liebe MLLerinnen, liebe MLLer,
40 Jahre MLL! Wenn das kein Grund zum Feiern ist und für einen Blick zurück und – vor allem – nach vorn.
Zurück: Vor vierzig Jahren fanden sich Eltern von Kindern mit Behinderungen zusammen, die die herrschenden Strukturen der Aussonderung für ihre Kinder überwinden wollten. Sie fanden Unterstützung, vor allem bei Kritikern des Sonderschulwesens in der Wissenschaft und in Bildungsverbänden. Notgedrungen wurden diese Pionierinnen und Pioniere zu Experten, die, anders als VertreterInnen aus Verwaltungen, aus der Politik und aus der Wissenschaft, über die Grenzen von Zuständigkeiten und professionellen Spezialgebieten hinweg nach Lösungen suchten und diese mit allen zivilgesellschaftlichen Mitteln betrieben. Das war und ist die klassische Qualität von Selbsthilfe- und Selbstvertretungsorganisationen.
Kurzer Zwischenstopp hier und heute: MLL ist zu einem krisenerprobten Träger mit innovativen Angeboten für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und ihre Familien geworden, mit dem Schwung der Vergangenheit auf dem Weg in die Zukunft, denn:
- Ihr werdet nach wie vor gebraucht als Anlaufstelle für schockierte, frustrierte, verunsicherte Eltern und Menschen mit Beeinträchtigungen. Zeigt ihnen, dass es trotz der Zumutung, ein Leben in einer Parallelwelt führen zu sollen, möglich, wenn auch riskant ist, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Bleibt und werdet immer wieder neu zu Katalysatoren der Selbstvertretung. Ihr braucht die Inspiration, die Kraft und das Mandat zum Handeln, die aus diesen Begegnungen erwachsen. Das ist eure Basis.
- Ihr werdet gebraucht als Stachel im Fleisch der Politik. Lasst euch den Inklusionsbegriff nicht mit Sprachregelei aus den Händen winden. Gemessen wird mit dem Maß der Konventionen über die Rechte von Kindern und Menschen mit Behinderungen. Seid euch bewusst, dass das, was ihr tut, nichts weniger als Demokratiearbeit ist.
- Ihr werdet gebraucht als Mahner gegenüber der Wissenschaft, sich nicht in akademischen Debatten zu verlieren, sondern das Wissen zu schaffen, das gebraucht wird, um Neues einzufordern, kreative inklusive Lösungen zu denken und umzusetzen. Hört nicht auf, Fragen zu stellen.
- Ihr werdet gebraucht als Brückenbauer zwischen den Zuständigkeiten in den Verwaltungen, zwischen den Verantwortlichen für Bildung, Jugendhilfe, Behindertenhilfe und in den Arbeitsagenturen. Die Betroffenen sind diejenigen, die auf einer gemeinsamen Verantwortung, auf angepassten inklusiven Lösungen über Zuständigkeiten hinweg bestehen müssen, und ihr mit ihnen.
- Ihr werdet gebraucht als Netzwerkpartner und –gestalter. Mit Eurem speziellen Blick, mit Eurer besonderen Erfahrung aus der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und ihren Familien könnt Ihr immer wieder positiv herausfordern und auf Inklusion bestehen.
- Und – um die Quadratur des Kreises komplett zu machen – ihr werdet gebraucht als lebendiges Beispiel dafür, dass all das mit einer wirtschaftlich stabilen, verlässlichen, lernfähigen und innovativen Trägerstruktur vereinbar ist. Auf dass ihr möglichst viele Nachahmer findet.
Ihr bewegt euch auf einem schmalen Grat. Möget ihr die Balance nie verlieren.
Herzlichen Glückwunsch!