Grußwort von Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes

Grußwort von Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes, anlässlich der Veranstaltung „Inklusive Kinder- und Jugendhilfe in der inklusiven Kommune“

Eine Veranstaltung des Vereins Miteinander Leben Lernen (MLL) in Kooperation mit der Arbeitskammer des Saarlandes (AK) 09. Juli 2024, 9:00 – 14:00 Uhr, Bildungszentrum der Arbeitskammer, Am Tannenwald 1, 66459 Kirkel

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Namen der Arbeitskammer des Saarlandes heiße ich Sie herzlich willkommen zur Veranstaltung „Inklusive Kinder- und Jugendhilfe in der inklusiven Kommune“ hier im AK-Bildungszentrum in Kirkel.

Dieses Jahr ist ein besonderes Jahr für unseren langjährigen Partner, den Verein „Miteinander Leben Lernen“ (MLL), der sein 40-jähriges Jubiläum feiert. Unter dem Jubiläumsmotto „Demokratie braucht Inklusion“ reflektieren wir nicht nur über die Bedeutung und Fortschritte der inklusiven Bildung, sondern auch über die zentrale Rolle, die Inklusion für eine demokratische Gesellschaft spielt.

Seit seiner Gründung im Jahr 1984 hat der MLL eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen und maßgeblich zur Inklusion im Saarland beigetragen. Aus einer kleinen Selbsthilfegruppe von Eltern hat sich eine landesweit und darüber hinaus anerkannte Organisation entwickelt. Diese Erfolgsgeschichte zeigt, wie wichtig Engagement, Vernetzung und politische Unterstützung für die Umsetzung gleichberechtigter Teilhabe in allen Bereichen der Gesellschaft sind.

Ich möchte auch die langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Arbeitskammer und dem MLL hervorheben, unter anderem im Rahmen des Bündnisses für inklusive Bildung im Saarland. Gemeinsam mit weiteren Partnern haben wir uns beispielsweise für den Ausbau gebundener Ganztagsschulen, die Einrichtung der Schulsozialarbeit als Regelleistung und die Einführung einer sozialindexbasierten Ressourcenverteilung eingesetzt – mit Teilerfolgen bis heute. Aber es gibt noch viel zu tun. Vor allem braucht eine inklusive Gesellschaft ein Denken und Handeln über die traditionellen Grenzen getrennter Zuständigkeiten hinaus.

In diesem Zusammenhang ist die Reform des SGB VIII zu einem inklusiven Kinder- und Jugendhilfegesetz, die ab 2028 in Kraft treten wird, ein bedeutender Schritt. Diese Reform wird die bisherigen getrennten Systeme der Jugendhilfe und Eingliederungshilfe in ein einheitliches System überführen – so lautet die allgemeine Zielsetzung. Dies bedeutet nicht nur tiefgreifende strukturelle Anpassungen, sondern auch eine neue Herangehensweise in der Praxis der Jugendhilfe. Die kommunalen Ebenen, wo die Kinder- und Jugendhilfe stattfindet, spielen dabei eine zentrale Rolle.

Während wir heute diese wichtigen Themen diskutieren, möchte ich einige zentrale Fragen und Herausforderungen aufwerfen, die uns auf dem Weg zur erfolgreichen Umsetzung begleiten werden:

  • Wie gelangen wir vor dem Hintergrund unterschiedlicher Professionsverständnisse und Rechtskreise zu gemeinsamen Begrifflichkeiten von Entwicklung, Teilhabe, Inklusion?
  • Wie können wir sicherstellen, dass alle beteiligten Fachkräfte umfassend qualifiziert und auf die neuen Anforderungen vorbereitet sind?
  • Wie können wir individuelle und infrastrukturelle Angebote für einen inklusiven Sozialraum bedarfsgerecht ausbalancieren?
  • Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die Partizipation und Mitbestimmung von allen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien im Hilfeprozess zu stärken?
  • Wie kann die Finanzierung und Ressourcenverteilung so gestaltet werden, dass die inklusiven Ansätze nachhaltig umgesetzt werden können?
  • Und grundsätzlich: Wie können wir bestehende Vorurteile und Barrieren abbauen, um eine inklusive Kultur in unseren Kommunen zu fördern?

Ein besonderes Dankeschön gilt dem MLL für die Organisation und Durchführung dieser Veranstaltung. Ihre unermüdliche Arbeit und Ihr Engagement sind von unschätzbarem Wert für die Umsetzung inklusiver Teilhabeangebote und -strukturen im Saarland.

Ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen und Ihre Bereitschaft, sich aktiv an diesem wichtigen Dialog zu beteiligen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die Inklusion im Saarland und seinen Kommunen voranzutreiben und so einen wichtigen Beitrag zu einer gerechten und solidarischen Gesellschaft zu leisten.

Ich wünsche Ihnen eine inspirierende und erkenntnisreiche Veranstaltung.

Thomas Otto

Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes

Grußwort zum 40. Jubiläum Miteinander Leben Lernen e.V. von Prof. Dr. Marcus C. Funke

Mit dem Festakt zum 40. Jubiläum blickt MLL auf vier Jahrzehnte des täglichen Einsatzes für Inklusion und die Interessen von Menschen mit Behinderung zurück. Für mich persönlich ist das ein Moment, um auf eine Zusammenarbeit zurückzublicken, die vor mehr als 15 Jahren begonnen und uns als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in jeder Hinsicht außergewöhnlich bereichert hat. Der gemeinsam maßgeblich mit Ilse Blug und Dr. Irmtraud Schnell entwickelte Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Menschenrechts auf inklusive Bildung aus Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention sollte Politik und Gesellschaft im Detail zeigen, wie der mit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 vollzogene Paradigmenwechsel von einer segregierenden zur inklusiven Bildung rechtlich richtig umgesetzt werden kann – wenn man den politischen Willen mitbringt, das völkerrechtlich Gebotene in die Tat umzusetzen. Damit hat MLL einen entscheidenden Pflock eingeschlagen und deutlich gemacht, was rechtlich passieren muss, es ist ein Maßstab für die rechtliche und tatsächliche Durchsetzung des Menschenrechts auf inklusive Bildung.

In 40 Jahren seines Bestehens hat MLL unglaublich viel erreicht, und das nicht nur in der praktischen Arbeit, sondern auch als Pionier des Inklusionsgedankens. Als Mitstreiterinnen und Mitstreiter wünschen wir MLL und kommenden Generationen in den Gremien des Vereins Energie, Beharrlichkeit, Ausdauer – und Erfolg. Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

Ad multos annos!

Prof. Dr. Marcus C. Funke, LL.M. (Univ. of Chicago)

Notar, Rechtsanwalt und Attorney-at-Law, N.Y.

Ihr werdet gebraucht! – Ein Grußwort zum 40. Geburtstag

Von Sibylle Blömer-Hausmanns

Liebe MLLerinnen, liebe MLLer,

40 Jahre MLL! Wenn das kein Grund zum Feiern ist und für einen Blick zurück und – vor allem – nach vorn. 

Zurück: Vor vierzig Jahren fanden sich Eltern von Kindern mit Behinderungen zusammen, die die herrschenden Strukturen der Aussonderung für ihre Kinder überwinden wollten. Sie fanden Unterstützung, vor allem bei Kritikern des Sonderschulwesens in der Wissenschaft und in Bildungsverbänden. Notgedrungen wurden diese Pionierinnen und Pioniere zu Experten, die, anders als VertreterInnen aus Verwaltungen, aus der Politik und aus der Wissenschaft, über die Grenzen von Zuständigkeiten und professionellen Spezialgebieten hinweg nach Lösungen suchten und diese mit allen zivilgesellschaftlichen Mitteln betrieben. Das war und ist die klassische Qualität von Selbsthilfe- und Selbstvertretungsorganisationen. 

Kurzer Zwischenstopp hier und heute: MLL ist zu einem krisenerprobten Träger mit innovativen Angeboten für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und ihre Familien geworden, mit dem Schwung der Vergangenheit auf dem Weg in die Zukunft, denn:

  • Ihr werdet nach wie vor gebraucht als Anlaufstelle für schockierte, frustrierte, verunsicherte Eltern und Menschen mit Beeinträchtigungen. Zeigt ihnen, dass es trotz der Zumutung, ein Leben in einer Parallelwelt führen zu sollen, möglich, wenn auch riskant ist, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Bleibt und werdet immer wieder neu zu Katalysatoren der Selbstvertretung. Ihr braucht die Inspiration, die Kraft und das Mandat zum Handeln, die aus diesen Begegnungen  erwachsen. Das ist eure Basis.
  • Ihr werdet gebraucht als Stachel im Fleisch der Politik. Lasst euch den Inklusionsbegriff nicht mit Sprachregelei aus den Händen winden. Gemessen wird mit dem Maß der Konventionen über die Rechte von Kindern und Menschen mit Behinderungen. Seid euch bewusst, dass das, was ihr tut, nichts weniger als Demokratiearbeit ist. 
  • Ihr werdet gebraucht als Mahner gegenüber der Wissenschaft, sich nicht in akademischen Debatten zu verlieren, sondern das Wissen zu schaffen, das gebraucht wird, um Neues einzufordern, kreative inklusive Lösungen zu denken und umzusetzen. Hört nicht auf, Fragen zu stellen.
  • Ihr werdet gebraucht als Brückenbauer zwischen den Zuständigkeiten in den Verwaltungen, zwischen den Verantwortlichen für Bildung, Jugendhilfe, Behindertenhilfe und in den Arbeitsagenturen. Die Betroffenen sind diejenigen, die auf einer gemeinsamen Verantwortung, auf angepassten inklusiven Lösungen über Zuständigkeiten hinweg bestehen müssen, und ihr mit ihnen.
  • Ihr werdet gebraucht als Netzwerkpartner und –gestalter. Mit Eurem speziellen Blick, mit Eurer besonderen Erfahrung aus der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und ihren Familien könnt Ihr immer wieder positiv herausfordern und auf Inklusion bestehen.
  • Und – um die Quadratur des Kreises komplett zu machen – ihr werdet gebraucht als lebendiges Beispiel dafür, dass all das mit einer wirtschaftlich stabilen, verlässlichen, lernfähigen und innovativen Trägerstruktur vereinbar ist. Auf dass ihr möglichst viele Nachahmer findet. 

Ihr bewegt euch auf einem schmalen Grat. Möget ihr die Balance nie verlieren.

Herzlichen Glückwunsch!